Konzentration und geistige Haltung
Konzentration auf den Verstand
Im vorigen Abschnitt (Schritt 1) sprachen wir über das erste Geheimnis der Meditation – die Aufrichtigkeit – und die Notwendigkeit des regelmäßigen täglichen Übens. Das bedeutet sowohl das Wollen als auch die Entschlossenheit, alle anderen Verbindlichkeiten in unserem Leben für eine Weile beiseite zu lassen, eine feste Zeit für das Üben festzulegen und einen besonderen Platz, einen Schrein oder einen persönlichen Meditationsplatz dafür zu reservieren.
Herausforderungen anderer Art als zeitliche und weltliche Verpflichtungen werden deine Aufrichtigkeit auch testen. Besonders die Schwankungen der Inspiration, überhaupt meditieren zu wollen, wenn dein Verstand hoffnungslos beschäftigt ist. Doch jeder Schatz wird von einem Drachen bewacht, der verhindern will, dass du den Schatz findest. Und um die Schätze innerer Frieden und stiller Verstand zu heben, müssen wir viele kleine Drachen überwinden, besonders unsere eigenen wandernden Gedanken.
Lasst uns uns ein wenig mit einigen Ansätzen beschäftigen, die sich mit der Konzentration auf den Verstand befassen.
Sich mit dem Atmen zu beschäftigen, steht am Beginn von vielen Meditationsformen und mit etwas Praxis wirst du feststellen, dass das Prinzip des inneren Friedens und stillen Verstandes für dich zu arbeiten beginnt. Du kannst beim Ein- bzw. Ausatmen nach einiger Übung bis 10 zählen und dies einige Minuten durchhalten, ohne das andere Gedanken in deinem Verstand auftauchen. Wenn dir das nicht gelingt, z.B. wenn bei der Zahl 6 ein Gedanke kommt, fang wieder bei 1 an und versuche 10 zu erreichen. Wenn dir das über ein paar Minuten gelingt, versuche nur beim Einatmen zu zählen und beim Ausatmen keine Gedanken aufkommen zu lassen. Das ist ungleich schwieriger!
In einer anderen Übung ziehst du dein Bewusstsein von allen deinen Sinnen zurück und beobachtest wie aus einiger Entfernung deine innere Landschaft – der Verstand ist wie ein Fluss immer in Bewegung, doch du stehst am Ufer, beobachtest nur und wirst nicht mit dem Strom hinweg getragen. Fühle in deinem Innern ein spirituelles Selbst wie einen ruhigen Yogi, der in einem stillen und friedvollen inneren Raum ruht. Nur dein Atem ist wirklich. Oder denke, dass Meditation wie ein friedlicher, weiter und leerer Himmel ist und jeder Gedanke nur wie ein kleiner, unbedeutender Vogel, der diesen leeren Himmel durchquert. Du siehst ihn, doch er stört dich nicht. Dein Verstand ist in deinem ruhig fließenden Atem fest verankert.
Konzentration auf einen schwarzen Punkt
Oder versuche einmal folgende einfache Übung, um deine Konzentration zu verbessern: Male einen kleinen schwarzen Punkt auf Augenhöhe an die Wand, ungefähr 80 cm von dir entfernt. Konzentriere dich mit offenen Augen auf diesen kleinen schwarzen Punkt als sei er das Wichtigste auf der Welt. Nach einer Weile stell dir vor, das dein Atem aus diesem Punkt kommt und die Luft, die du ausatmest wieder in diesen Punkt zurück geht. Du bekommst deinen Lebensatem also von diesem Punkt und er geht auch wieder in diesen Punkt zurück. Wenn du das übst, wirst du auf Dauer Erfolg haben und deine Konzentration wird sich
Konzentration auf Kerzenflamme
Lasst uns jetzt zur Löwenmeditation zurückkehren – der Meditation mit den halb geschlossenen Augen – und eine andere Konzentrationsübung versuchen. Es ist leichter zu meditieren, wenn wir unsere Aufmerksamkeit auf ein Objekt richten. Konzentration versammelt die herumwandernden Gedanken des Verstandes auf einen einzigen Punkt oder nur ein Objekt. Beginn damit, dich auf die Kerzenflamme zu konzentrieren, vielleicht nur auf die Basis der Kerzenflamme, weil es für die Augen so leichter ist, als direkt in die Flamme zu blicken. Wieder sollte es das Wichtigste in der Welt für dich sein, sich auf diese Stelle zu konzentrieren. Nichts anderes existiert für dich als diese Kerzenflamme. Wie ein Pfeil oder eine Kugel sollte deine Konzentration in die Kerzenflamme schießen und sich in ihr auflösen. Fühle die Wachsamkeit und die Intensität dieser Anstrengung. Wir brauchen diese dynamische Willenskraft, um unsere Gedanken und Gefühle zu reinigen.
Nachdem du dich einige Minuten mit deiner ganzen Kraft auf die äußere Kerzenflamme auf deinem Schrein oder deinem Tisch konzentriert hast, schließe bitte deine Augen und stelle dir eine Kerzenflamme in deinem spirituellen Herzen in der Mitte deiner Brust vor. Konzentriere dich auf die innere Flamme, ihr Licht, ihre Wärme, ihren Glanz in dir. Und lass allmählich sich dieses Bild ausdehnen – in deinem ganzen Körper. Bis in den Verstand hinein soll sich die Wärme und der Glanz der Flamme ausbreiten. Das Licht der Seele leuchtet dann in deinem ganzen Körper.
Wenn du es durch regelmäßiges Üben so weit gebracht hast, dass du ein goldenes Licht deinen Körper durchfluten fühlst, dann ist deine Konzentrationskraft so weit, dass du für den nächsten Schritt in die Meditation bereit bist. Wenn deine Gedanken während dieser Übung wieder herumwandern, öffne einfach die Augen und konzentriere dich erneut auf die äußere Kerzenflamme, bringe dieses Bild wieder in dein Inneres und konzentriere dich auf dein Inneres. Die Aufmerksamkeit von innen nach außen und von außen nach innen zu lenken erweitert unsere Konzentration vom physischen hin zum abstrakten, vorgestellten Objekt. Das hilft uns beim spirituellen Training und entwickelt die Konzentration unsere Verstandes.
Wichtige Meditationstipps
Immer wenn du übst, solltest du fühlen, dass jeder Moment des Meditierens eine goldene Gelegenheit ist, zu lernen und etwas ganz Besonderes zu werden: Jeder Moment ist heilig, du folgst einem inneren Weg, der zu einem Aufblühen deines ganzen Wesens führen wird. Dieses Gefühl wird dir Aufrichtigkeit, Intensität und Aufmerksamkeit geben und dir helfen, die Zeit, die du täglich mit Meditieren verbringst, tief in dir Wert zu schätzen.
Dankbarkeit
In seinen Lehren und Schriften spricht Sri Chinmoy von zwei sich ergänzenden Einstellungen, die die Liebe zu meditieren vergrößern können. Die erste ist, Dankbarkeit in unserem Herzen zu fühlen, wenn wir mit der Meditationspraxis beginnen: Wir haben eine besondere Gelegenheit in unserem Leben bekommen, sind wie nach einem langen Schlaf aufgewacht und haben eine Reise in unser Inneres begonnen. Das Gefühl der Dankbarkeit – an unsere Seele, an Gott, an das Leben – öffnet das Herz und hilft uns, unsere Meditationspraxis zu entwickeln und unsere Empfänglichkeit für die Gaben und Wohltaten der Meditation zu vertiefen. Du kannst auch zurück in deine Vergangenheit schauen – wie du früher gewesen bist und wie du gelebt hast – und dann in die Zukunft und wer du dann sein wirst und wie du dann leben willst. Dann ist es leicht, Dankbarkeit zu empfinden, eine neue Welt mit neuen Zielen und tatsächlichem innerem Glück wird sich dir öffnen. Wenn du an Gott glaubst, fühl dich von ihm gerufen – du meditierst, weil deine Seele einem Ruf aus einer höheren Welt folgt, für dieses Geschenk kannst du auch dankbar sein. Bevor du meditierst „chante“ siebenmal das Wort „Dankbarkeit“ als Mantra – diese einfache Übung wird mit der Zeit deine Meditation vertiefen.
Haltung wie ein Kind
Die zweite nützliche Möglichkeit, die Sri Chinmoy empfiehlt ist, sich wie ein Kind zu fühlen. Das aufrichtige Schreien eines Kindes lässt Vater oder Mutter sofort zu ihm eilen. Wenn du dich so hilflos wie ein Kind und erfüllt von der Einfachheit, Aufrichtigkeit und Reinheit eines Kindes fühlst, musst du dich um Techniken und Anstrengungen nicht wirklich kümmern. Du wirst dann fühlen, dass dir Gott, dein dich liebender Vater, die Meditation schenken wird. Meditation ist ein Geschenk und du bringst dieses Geschenk der Stille, der Ruhe und des inneren Friedens in dein Leben, wenn du mit dem aufrichtigen Herzen eines Kindes nach Gott schreist.